Nachbarschaft kann trügen
Spazieren wir durch eine uns noch unbekannte deutsche Stadt, kann uns ein Gang über die Friedhöfe manches Interessante verraten. Finden wir besonders oft Israel, Wünsche, Winkler und Hempel auf den Grabsteinen, deutet es auf eine Grabstätte in der Oberlausitz hin. Häufen sich polnische Namen könnten wir im Ruhrpott gelandet sein. Enden viele Namen auf -huber, wird das Bairische nicht weit sein.
Doch täuschen solche Nameshäufungen eine lokale Verbundenheit der Menschen vor, die es im Leben nie gab und die – so seltsam es klingen mag – bei genauem Hinsehen nicht einmal nach dem Tode vorgetäuscht wird. Denn Deutsche bestatten die Überreste ihrer Gestorbenen auch im Jahre 2016 zumeist noch nach Konfession, räumlich sauber getrennt. Zwar könnte kein Wissenschaftlerteam der Welt nach einer Exhumierung feststellen, ob der einst Lebende zusätzlich zu seinen bei der Geburt angelegten Hirnfunktionen noch einem Glauben nachging oder gar welcher Glaubensversion, aber das hindert viele Einwohner unseres Landes nicht daran, das Andenken an Verstorbene durch heftiges Einbilden eines konfessionellen Unterschieds zu veredeln.
Raumfahrer von einem anderen Stern würden sich auf unserer Erde ihren Denkapparat zermartern, was diese Überreste-Trennung für Gründe hat und kämen wohl aus dem Rätseln nicht mehr heraus. Der Verdacht besteht, dass wir Erdlinge es ihnen auch nicht erklären könnten. Nicht wegen sprachlicher Schwierigkeiten, sondern weil die Raumfahrer in ihrem frühen Kindesalter sein müssten, Eingebildetes als Wahrheit anzunehmen.
Gibt es denn keine menschenfreundlichere Methode, andere zu verwirren, als sich nicht vorhandene Unterschiede derart drastisch eintrichtern zu lassen, dass man den Menschen nicht einmal vereint nachttrauert? Bevor wir von Ankömmlingen Integration fordern, sollten wir sie erst einmal selbst versuchen. Wenigstens probehalber.