Giftige Wörter (Teil A)

Wer wirklich Verantwortung übernehmen will für die Sprache, die er anderen zukommen lässt, sollte durchaus mehr als nur einen Blick in das Handbuch »LTI – Notizbuch eines Philologen« von Victor Klemperer aus dem Jahr 1947 werfen. In dieser Schrift nimmt der Autor Hitlers und Goebbels’ erfolgreichen Sprachkrieg gegen Verstand und Moral ihrer Landsleute kritisch auseinander. Ein Fazit: Sprache ist niemals unschuldig.

Sind wir heute anständiger geworden? Sehen wir uns doch einige gebräuchliche Wörter an.

Arbeitsmarkt

Das Wort klingt nüchtern und chancenträchtig. Das Gift steckt im Wortteil »Arbeit«. Seit Jahrhunderten und bis heute assoziieren wir damit Tätigkeit, die uns ein – wenn auch unter Umständen extrem bescheidenes – Auskommen sichert. Spätestens seit 2005 jedoch sind Millionen Arbeitsverhältnisse entstanden, von denen auch die Bescheidensten nicht existieren können. Sie müssen über die Jobcenter »aufstocken« und sich dafür Erniedrigungen unterziehen, die in Friedenszeiten für Demokratien eigentlich nicht üblich sind.

Wie lässt sich dieses Sprachgift beseitigen? Auf dem teuren Weg einer Aufklärungs- und Werbekampagne »Arbeit hilft zum Leben nicht« oder über ein treffenderes Wort: »Beschäftigungsmarkt«. Menschen entwickeln bei Beschäftigung seltener die Vorstellung eines Einkommens, sondern eher des Verbrauchens von Zeit.

Religion

Mit Religion verbinden Menschen eigentlich Selbstbeherrschung, gesteigerte Moralansprüche und Vergebung. Schon vor 200 Jahren aber fand ein scharfsinniger Beobachter und Analyst menschlichen Verhaltens: »Jeder, der die Macht hat, Dich dazu zu bringen, Absurdes zu glauben, hat die Macht, Dich dazu zu bringen, Unrecht zu begehen.« (Voltaire)

War er parteiisch und hatte mit den Religiösen ein Hühnchen zu rupfen? Oder versteckte er in seinem Satz gar einen üblen Witz, wie: »Es gibt nichts Absurdes unter der Sonne, solange man nur rechtschaffen glaubt.«?

Leider nicht. In einer groß angelegten, sich über Länder, Kontinente und Religionen erstreckenden anthropologischen Studie ermittelte 2015 eine internationale Forschergruppe, dass religiöse Erziehung die Niederträchtigkeit eines Menschen verstärkt. Und das unabhängig von der untersuchten Religion. Zwar schockiert das Ergebnis dieser Studie im Umgang mit Menschen Erfahrene nicht. Aber es ist erschreckend, dass keine widerlegende, wissenschaftlich fundierte Gegenforschung zu finden ist, die diese Studie auch nur ansatzweise in Frage stellt, nicht einmal eine von einer Religion in Auftrag gegebene.

Das Gift des Wortes »Religion« steckt in der Aura, die ohne viel Nachdenkens damit verbreitet wird. Als Abhilfe müsste man  weltumspannende Aufklärung gegen den Willen der religiös Gehirngewaschenen und Moralgeschädigten betreiben. Sinnlos. Also muss das Wort weg. Nennen wir das Phänomen doch lieber »Kult«, ein Begriff, der realistischer besetzt ist. Aber keine Illusion: Die Folgen von Jahrtausenden eines extrem erfolgreichen, demagogischen Religionsmarketings lassen sich auch in Jahrzehnten kaum beseitigen.

Gerechtigkeit

Ein Wort, dass so einfach, geradezu kindlich naiv daherkommt wie kaum ein anderes viersilbiges. Jeder versteht es. Wirklich? Schauen wir uns einige »schreiende Ungerechtigkeiten« an:

  • Serbien kann je Einwohner volle 4008 m² landwirtschaftliche Nutz­flä­che für die Ernährung einsetzen, Kroatien nur 1985 m²  – also weniger als die Hälfte – und Luxemburg nur lä­cher­li­che 1187 m² . Wir Deutschen leben folglich direkt neben einem Volk ohne Raum, einem Pulverfass. Und auch die Serben müssten den Kroaten einen erheblichen Teil ihres Territoriums abtreten.
  • Kroatien hingegen hat pro Kopf 131 Zentimeter Meeresküste zum Fischen, Sonnen, Baden oder für Hafenanlagen zur Ver­fü­gung, Serbien und Luxemburg nicht einen einzigen Millimeter. Die­se beiden Staaten könnten sich im Namen der Gerechtigkeit zu­sam­men­schlie­ßen, um Meereszugänge zu erkämpfen.
  • Massenentlassungen sind in fast allen Fällen ungerecht, denn entweder müssten Männer und Frauen im Verhältnis der Ge­samt­be­völkerung oder der Belegschaft entlassen werden. Doch das rechnet keiner nach. Es gibt auch kein entsprechendes Quo­ten­gesetz.
  • Wenn bei Geschwistern eines eine Grippe bekommt, werden sich die anderen kaum bemühen, der Gerechtigkeit wegen auch zu er­kran­ken. Aber wehe nur eines erhält eine Tafel Schokolade! Auch hier geht es bei Gerechtigkeit nicht darum, alles zu be­kom­men, was der andere hat, sondern nur das, was einem gefällt, sich also subjektiv besser zu stellen.
  • Naturgemäß sind nicht alle Richter, Staats- und Rechtsanwälte von gleicher Qualität. Und dennoch wäre eine Negativliste der größten Rechtsversager sinnlos. Zum ersten können wir zumeist das zuständige Gericht nicht frei wählen. Könnten wir es zum zweiten doch, würden wir kaum ein Gericht mit hoher Re­vi­sions­quote wählen, damit wir – gerechterweise – nicht besser weg­kom­men, als unser unlängst vor einem nachlässigen Amtsrichter gescheiterter Nachbar.

Das Gift steckt in der Manipulationskraft des Wortes: zu viele versammeln sich gern unter der Fahne der Gerechtigkeit und ziehen auch mordend und metzelnd für sie ins Feld.

Fazit: Es gibt keine Gerechtigkeit im Sinne einer Gleichbehandlung, weil es wegen der strikten Ausrichtung allein auf das Positive keine geben kann! Fordert als0 jemand Gerechtigkeit, ist erst einmal höchste Vorsicht geboten. Sie in »Gerächtigkeit« umzubenennen, wäre vielleicht zu empfehlen, auch wenn damit diese Universalwerkzeug der Manipulation nur unvollständig beschrieben wäre.

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